Fantasy-Liebesroman «Raghi der Schatten»

Wenn der Mut der Verzweiflung mit einer magischen Chance belohnt wird

Der Meister von Eternas Mördergilde herrscht mit sadistischer Grausamkeit über seine gewaltsam versklavten Lehrlinge. Einzig Raghi hat sich ihm nie unterworfen — und bitter dafür bezahlt. Seine neuste Provokation zwingt ihn zur Flucht.

Raghi schleicht sich die Treppen der Ewigkeit in die Vergangenheit hinab und findet Zuflucht bei einem geheimnisvollen Clan von Fahrenden, dessen positive Philosophie schmerzhaft mit seinem selbstmörderischen Leichtsinn kollidiert. Das uralte magische Volk führt ihn in den Zauber des Lebens und der Freundschaft ein und ahnt nichts von den tödlichen Gefahren, die Raghi mit sich trägt.

Gewissenlose Mächte nehmen jedoch sofort Notiz. Raghi muss sich schnellstens seinem Schicksal stellen, sonst verdammt er seine neue Familie und die gesamte Schöpfung zu ewiger Dunkelheit — und vergibt sich alle Chancen auf eine einzigartige Liebe direkt aus den Legenden der Vorzeit.

«Raghi der Schatten» ist der zweite Band der romantischen Fantasy-Reihe «Die Treppen der Ewigkeit» von Isa Day, in der scheinbar verlorene (erwachsene) Protagonisten eine zweite Chance erhalten.

Der spannende Fantasy-Roman für Erwachsene erzählt von der Suche nach dem Sinn des Lebens und dem Mut, sich einem außergewöhnlichen Schicksal zu stellen. Wer märchenhafte romantische Fantasy mit tiefgründigen Protagonisten und Elementen wie Zeitreisen, Zauberei, liebenswerten magischen Tieren, Liebe und einer Prise Humor mag sollte auf seine Kosten kommen.

«Raghi der Schatten» ist der erste Band einer Dilogie. Der zweite Band der Dilogie befindet sich in Vorbereitung.

Mit «Faya Namenlos» gibt es eine 100-seitige Prequel, die dich in die Fantasy-Reihe «Die Treppen der Ewigkeit» und die Welt von Eterna einführt.

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Übersicht der bisher erschienenen Bände:

Titelbild «Faya Namenlos» von Isa Day (Fantasyroman)
Titelbild «Wolf des Südens» von Isa Day (Fantasyroman)
Titelbild «Raghi der Schatten» von Isa Day (Fantasyroman)

Leserstimmen

«Ich war gefesselt von der ersten bis zur letzten Seite, das Buch hat einen ganz eigenen Zauber. Tolle Protagonisten, märchenhafte Wesen, eine Umgebung voller Geheimnisse und Mysterien. Ich liebe dieses Buch und kann es allen Fantasyfans nur empfehlen, jetzt warte ich gespannt wie die Geschichte weitergeht.»

«Die Autorin hat es wieder einmal geschafft, mich zu fesseln. Diese Geschichte handelt von Freundschaft, Vertrauen und Liebe. Sie ist spannend und hält einen gefangen. Ich habe eine außergewöhnliche Welt mit wunderbaren Menschen und magischen Wesen kennen und lieben gelernt. Ich kann es kaum erwarten, zu erfahren, wie es mit Raghi weiter geht. Leider kann ich nur 5 Sterne vergeben.»

«Der zweite Band der neuen Reihe „Die Treppen der Ewigkeit“ kann rundum überzeugen genau wie schon Band 1. Er ist spannend und magisch mit einem Schuss Romantik und Humor in einer ganz eigenen fantastischen magischen und leicht mittelalterlichen angehauchten Welt. … Lasst euch einfach in diese wundervolle Welt entführen!»

LESEPROBE

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Isa Day

Raghi der Schatten

Die Treppen der Ewigkeit

Pongü

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1. Auflage 2019

© 2019 Isa Day und Pongü Text & Design GmbH, Meilen, Schweiz

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlaggestaltung: Isa Day

eBook: ISBN 978-3906868158
Taschenbuch (BoD): ISBN 978-3743181489

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Kapitel 1

«Bist du hier, um mich zu töten?», fragte Raghi und lehnte sich an den Sarkophag, als kümmerte ihn nichts auf der Welt.

«Ja», sagte Faya.

Wütende Befriedigung raste durch seine Adern. Der Moment war endlich gekommen.

«Na los! Worauf wartest du? Komm her und bring es zu Ende!», forderte er sie zum Kampf heraus.

Er hatte schon lange gewusst, dass sie sich eines Tages so gegenüberstehen würden — Faya als Castelaltos Mörder für spezielle Aufgaben und er, der eigensinnige Lehrling.

Es war nach Mitternacht — die perfekte Zeit für Meuchelmorde. Der Ort war unerwartet, aber passend. Sie hatte ihn in einem abgelegenen Teil der Katakomben von Eterna aufgespürt, wohin sich selbst die Bedürftigen, die unter den Toten lebten, selten wagten. Es war eine Steinkammer voller Spinnweben und Schatten, die sich von selbst bewegten. Die Fackeln in ihren Wandhalterungen tanzten im ewigen Luftzug, der die meisten Tunnel und Kammern belüftete und die wohlhabenden Toten der Stadt zu Mumien trocknete. Ab und zu zischten die Flammen wie wütende Schlangen.

Es war ein angenehmes Versteck. Der Geruch von Staub und alten Knochen war beruhigend, und weder die glühende Wüstensonne noch die eisige Kälte der Nächte reichte so tief in den Untergrund. Die Temperatur blieb das ganze Jahr über gleich, kühl und erfrischend wie an einem Frühlingstag in seiner Heimat. Raghi, der von den sturmumtosten Inseln des Eismeeres stammte, hatte sich nie an das brutale Wüstenklima Eternas gewöhnt.

Faya stemmte sich hoch, um sich auf den zweiten Sarkophag der Krypta zu setzen. In die ebene Steinplatte waren die Umrisse des Verstorbenen als flache Linien eingeritzt. Diese Gräber waren uralt, ihr einfacher Stil vor Jahrhunderten aus der Mode gekommen.

«Manchmal bist du so ein Idiot!», sagte Faya und rollte die Augen. Ihr Gesicht schien zu schweben, weil ihre schwarze Kleidung mit den Schatten verschmolz.

«Danke, dass du meine besseren Eigenschaften zu schätzen weißt», erwiderte Raghi und imitierte sie, indem er sich im Schneidersitz auf den Sarkophag hinter ihm setzte. Im Vergleich zu Faya wirkte er zerlumpt. Die wilden Strähnen seines Haares hatten schon lange keine Schere mehr gesehen, und er hatte sich nicht die Zeit genommen, sein verblasstes Mördergewand — bestehend aus einer langärmeligen Tunika, einer bequemen Hose und einem Umhang — neu einzufärben und die Löcher im Stoff zu stopfen.

Sie starrten sich an. Die Entfernung zwischen ihnen betrug etwa zwei lange Schritte, kurz genug, dass sie ihn sofort erreichen und töten konnte. Niemand hatte eine Chance gegen diese kleine Mörderin, außer …

«Wie geht es Emilio dem Wunderkind?», fragte Raghi.

Ihr Gesichtsausdruck wurde zu einem Lächeln. «Er ist wunschlos glücklich und fitter denn je.»

«Immer der Streber.» Er schnaubte. Ein Teil seines Spottes entsprang der Eifersucht. Die beiden teilten eine tiefe Verbundenheit, durch die er sich als Beobachter jeweils noch einsamer gefühlt hatte. Und dass Emilio aus dieser Hölle entkommen war, in der er und Faya immer noch lebten …

«Wozu das Vorspiel?», provozierte er sie.

«Glaubst du wirklich, ich würde dich töten?», feuerte sie zurück.

«Nun ja, deine Handlungen waren gelegentlich verdächtig.»

Etwas veränderte sich in ihrer Aura, und er fühlte, wie ein Schauer über seine Wirbelsäule lief. Faya war eine zierliche junge Frau — klein und schmächtig wie ein halb verhungertes Kätzchen. Mit ihrem langen rabenschwarzen Haar, ihren riesigen schwarzen Augen und ihrer olivfarbenen Haut hätte sie unschuldig wirken sollen.

Aber ein Feuer war in den Tiefen dieser Augen entfacht. Ihr Blick schien seine Seele zu durchdringen.

«Raghi, bitte streif die Kapuze runter.»

Er gehorchte mit einem verärgerten Seufzen.

«Du hast dich wieder ausgehungert.»

«Erstens geht dich das nichts an, und zweitens wird Essen überbewertet.»

Er wandte sein Gesicht ab, damit er sich nicht ihrer Musterung stellen musste. Im Gegensatz zu Emilio dem Wunderkind, dessen dunkles südländisches Aussehen den Frauen den Kopf verdrehte, wirkte er blass und schlicht. Sein Gesicht glich dem der kalten Marmorstatuen in den Tempeln: perfekte Haut, eine gerade Nase, volle Lippen, blass, ausdruckslos, eiskalt. Allein die dunklen Ringe unter seinen langweilig braunen Augen sorgten neben seinen mausbraunen Haaren für einen Hauch von Farbe.

«Raghi …» Plötzlich stand sie vor ihm und nahm sanft seine Hände.

Er zuckte überrascht zusammen. Warum hatte er nicht wahrgenommen, wie sie sich bewegte?

«Versuchst du es auf die sanfte Tour, bevor du mir die Kehle durchschneidest?»

Sie ignorierte seine Provokation und wartete still, bis er sich zwang ihren Blick zu erwidern.

«Dieser Selbstmissbrauch muss endlich aufhören. Du glaubst es vielleicht nicht, aber du bist etwas Besonderes.»

«Weil ich der einzige Prinz bin, den der Meister nicht stehlen musste, weil meine Eltern mich verkauften? Ja, ich Glückspilz!» Er schnaubte.

Mitgefühl erfüllte ihre Miene. «Wenigstens weißt du, wo deine Wurzeln sind, egal wie furchtbar oder verdorben.»

Dagegen konnte er nicht argumentieren. Ihre Herkunft war unbekannt, obwohl die dunkle Färbung von Haut und Haar den Süden, wo die meisten dunkelhäutigen Menschen lebten, vermuten ließ. Es musste die Hölle sein, überhaupt nichts über seine Abstammung zu wissen und keinen Ort zu haben, von dem man träumen konnte. Zumindest das war ihm geblieben. Während er seinen Vater und seine Mutter hasste, erinnerte er sich gern an die atemberaubende Schönheit ihres wilden Inselreiches.

«Warum denkst du, dass ich etwas Besonderes bin, Namenlos?», fragte er.

Sie legte ihre Handfläche über sein Herz. «Wegen deiner Energie. Du bist wie ein Tornado — eine Naturgewalt, die alles wegfegt. Ich kenne niemanden wie dich.»

Ihre Worte erinnerten ihn an einige seiner verrückteren Eskapaden, und er grinste schief. «Ich glaube nicht, dass die Wirte der Gasse des Vergessens mich mit so freundlichen Worten beschreiben würden.»

«Du hast ihre Straße abgefackelt, nachdem du alle ihre Kunden dazu verleitet hattest, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken.»

«Und bescherte ihnen so die lukrativste Nacht ihres Lebens. Aus meiner Sicht habe ich ihnen einen Gefallen getan. Sie wurden dadurch steinreich und mussten ihre von Ratten befallenen Absteigen nicht selbst niederreißen. Kein Reinigungsaufwand hätte den angesammelten Schmutz der Jahrhunderte entfernen können. Jetzt sieht alles schön und neu aus.»

Faya sandte ihm einen strengen Blick. «Vergessen wir nicht den Aufruhr, als du den Prostituierten in Eternas teuerstem Bordell zeigtest, wie man verführerischer denn je tanzt. Die Stadtwache musste eingreifen, als du deine Vorstellung auf den Balkon über dem Magistratsplatz verlegt hast.»

Raghi grinste böse. «Dieser Schelmenstreich generierte eine große Anzahl von schmeichelhaften Angeboten. Zu schade, dass Castelalto mir nicht erlauben wollte Tänzer zu werden.»

Etwas regte sich in ihm, etwas, das nicht erwachen durfte, solange Faya bei ihm war. Er musste seine Witze mit mehr Sorgfalt auswählen und die Erinnerungen begraben, die seine schwelende Wut auflodern ließen. Aber die junge Frau machte es leicht, ihr zu vertrauen. Sie wusste das meiste von dem, was ihm passiert war, und kannte die Konsequenzen für sein Selbstwertgefühl, da sie ihre eigene Art der Grausamkeit durch die Hand des Meisters erlitten hatte.

«Wenn du deine Karriere geändert hättest, dann hättest du vielleicht nicht dein neuestes Unheil angerichtet.»

Eisige Wut raste durch Raghis Adern. «Ich verstehe nicht, warum dies das Fass zum Überlaufen brachte.»

Faya seufzte, während er sich erinnerte. Castelalto hatte ihm vor fast drei Jahren das Schlimmste angetan. Heutzutage bestrafte ihn der Meister, indem er ihn reichen Sadisten als Sex-Sklave gab. Als ob er damit nicht umgehen könnte! Als ob der Schmerz für ihn von Bedeutung wäre!

«Du hast einen hohen Beamten terrorisiert. Er wollte sich an deiner Unterwerfung aufgeilen, aber du drehtest den Spieß um und erschrecktest ihn zu Tode. Damit verlor der Meister seine Macht über den Mann. Misstrauen zerstörte ihre Gemeinschaft des Bösen und kostete den Meister einen beträchtlichen Teil seines Einflusses.»

Raghi grinste. «Dann hat es sich gelohnt. Worauf wartest du noch? Töte mich!» Und alles würde endlich, endlich vorbei sein!

«Das werde ich ganz sicher nicht. Ich will, dass du mich niederstreckst und dann fliehst.»

«Wohin?» Er öffnete seine Arme weit. «Castelalto terrorisiert den gesamten Kontinent und die abgelegenen Inseln. Es gibt kein Versteck!»

«Doch. Die Vergangenheit.»

Er starrte in ihre Augen, seine Tirade vergessen. «Das ist der Weg, den Emilio nahm. Aber er steht nur verurteilten Verbrechern offen, denen eine zweite Chance gewährt wird!»

Sie grinste. «Das denkst du.»

Er wurde nachdenklich. War das eine Falle? «Was hast du davon?»

Plötzlich wirkte sie blass und müde. «Das Wissen, dass ein weiterer meiner Freunde die Chance hat, dieser Hölle zu entkommen und sein Glück zu finden.»

«Da Glück keine Option ist, konzentrieren wir uns auf die Flucht. Wie soll die vonstattengehen?»

«Indem du die Treppen hinunterschleichst und dich irgendwo und irgendwann in der Vergangenheit versteckst. Du wirst aufhören zu altern, aber zumindest …» Sie brach ab.

Ihr Gesichtsausdruck gab ihm zu denken. «Du verheimlichst mir etwas. Etwas Großes. Was ist es?» Er rutschte vom Sarkophag und packte ihre Schultern, viel zu grob vor Aufregung. Als sie zusammenzuckte, verringerte er sogleich den Druck seiner Finger. Er mochte ihr nicht vertrauen, aber sie war seine Freundin und zerbrechlich, nur Vogelknochen und samtige Haut.

«Nach allem, was ich über dich weiß, gibt es auf der ganzen Welt eine Person, die du liebst. Die Nachricht erreichte mich sehr spät. Deshalb kann ich nicht sicher sein, aber möglicherweise kannst du ihr noch das Leben retten.»

Das Blut sackte ihm in die Füße, und er schwankte. «Nana! Was haben diese Teufel, die sich meine Eltern nennen, mit ihr gemacht?»

«Mir wurde berichtet, dass deine Mutter ein Mädchen wie dich zur Welt gebracht hat. Sie warfen das Neugeborene in den Kerker, wo es verhungern sollte. Als deine Amme sich für die Kleine einsetzte, landete auch sie im Kerker.»

Mordlust erfüllte sein Bewusstsein und behinderte sein Denken. Mit eiserner Entschlossenheit zwang Raghi sie nieder. Aber etwas regte sich in ihm, jener fremde Teil, den er nicht kontrollieren konnte. Als sich der Schatten von seinem Körper löste, schloss er die Augen. «Es tut mir leid, Faya.»

Er hörte sie schlucken.

«Was tut es?» Raghi konnte nicht hinsehen. Wenn es Faya angriff und sie tötete, dann war diese Jauchegrube, die er sein Leben nannte, wirklich vorbei.

«Es starrt mich an und scheint zuzuhören.»

Raghi öffnete die Augen und schaute über seine Schulter. Ja, da stand es, und sie hatte recht. Es sah wütend aus. Seine schrecklichen Augen brannten wie Höllenfeuer, aber die Wut war nicht auf Faya gerichtet.

«Gib mir die nötigen Informationen! Was müssen wir tun?», verlangte er zu wissen.

«Du hast mir einmal ein Medaillon mit einer Haarlocke deiner Nana gezeigt. Trägst du es jetzt?»

«Ja.»

«Dann hast du alles, was du brauchst. Die Zeit steht still, wenn du die Treppen der Ewigkeit betrittst. Wenn deine Nana dann noch am Leben ist, wird sie nicht sterben. Hast du verstanden? Auf den Treppen kannst du dir alle Zeit der Welt nehmen, um einen Platz zu finden, der zu dir passt.»

«Die Zeit steht still. Ich kann mir so viel Zeit nehmen, wie ich brauche», wiederholte er als Beweis, dass er zuhörte. Da er die Worte anderer oft aus Spaß ignorierte, war es wichtig, dass Faya ihm glaubte.

Ihr Blick wurde stechend. Ihre schwarzen Augen schienen zu brennen. «Wenn du in diese Zeit und an diesen Ort zurückkehrst, beginnt deine ursprüngliche Zeitlinie wieder genau in dem Moment, als du sie verlassen hast, und deine Nana blickt erneut dem Tod ins Auge. Wenn du gehst, darfst du nicht hierher zurückkehren — niemals. Verstanden?»

Sie schien die Wahrheit zu sprechen, aber er vermutete, dass sie die Fakten auf ihre Absichten zuschnitt. War das wichtig?

Lodernde Wut beantwortete seine Frage. In seiner schrecklichen Jugend war seine Nana das einzige Leuchtfeuer aus Licht und Liebe gewesen. Nur sie war wichtig.

«Ja, ich verstehe, dass ich nie wieder zurückkehren kann!», zischte er. Das Ding hinter ihm knurrte.

«Alles an deinem Körper wird mit dir in die Vergangenheit reisen. Ein einzelnes Haar kann ausreichen. Sobald du in eine Zeitlinie eintauchst, wird das, was du bei dir trägst, an deiner Seite erscheinen, und zwar in dem Zustand, den es hatte, als du die Treppen betratst.»

Sein Herz stockte. «Dann finde ich mich vielleicht neben der Leiche meiner Nana wieder?»

Sie nickte ernst. «Diese Möglichkeit besteht leider.»

«Was ist mit meiner Chimäre? Ich trage ihre Federn bei mir, um Pfeile zu machen.» Er öffnete seinen Beutel, um sie Faya zu zeigen.

«Sie ist größer als ein Pferd, für das man zehn Haare von der Mähne des Tieres braucht, damit die Reise problemlos funktioniert. Mit dieser Anzahl von Federn wird sie dir folgen.»

Er traf seine Entscheidung. «Dann werde ich jetzt gehen. Zeig uns den Eingang zu den Treppen.»

Sie blickte über seine Schulter und verengte ihre Augen. «Dir ist klar, dass du gerade ‹uns› gesagt hast?»

Er grinste sie verwegen an. «Es gibt so viel von mir, dass ich als mehr als einer zähle.»

Sie schnaubte. «Was dein Ego betrifft? Bestimmt!»

 

 

Kapitel 2

Raghi hatte die Stadt der Toten schon immer jener der Lebenden vorgezogen. Über der Erde war Eterna hektisch, laut und verwirrend. In der Halbwelt der Katakomben wurden die Massen weniger.

Die künstlichen Höhlen boten guten Schutz, aber dort zu leben bedeutete auch, dass man die unterste Stufe der Gesellschaft erreicht und alle Hoffnungen aufgegeben hatte.

Die Armen, die sich noch an einen Schatten der Hoffnung klammerten, drängten sich in den überfüllten Hütten, die gegen die Stadtmauern lehnten. Diese Hütten stanken, wurden nachts eisig kalt und verwandelten sich unter der unerbittlichen Wüstensonne in Öfen. Aber sie lagen oberirdisch und gehörten damit zur respektablen Welt.

Faya führte ihn durch einen weiteren ihm unbekannten Tunnel. Wie waren sie hierher gekommen? In den Monaten und Jahren nach seiner Ankunft in Eterna hatte Raghi aus Langeweile und weil er eines Tages würde verschwinden müssen, die Katakomben sorgfältig katalogisiert.

Noch nie zuvor hatte er einen Fuß in diese Gänge gesetzt. Sein Verdacht wuchs. Führte Faya ihn in den Tod? Das war in Ordnung, aber wenn ja, wollte er es wissen.

«Bist du sicher, dass das der richtige Weg ist?», fragte er und griff nach dem Messer an seinem Gürtel.

Sie fuhr herum und bemerkte seine Kampfbereitschaft. «Ernsthaft? Du hast das Ding da an deiner Seite und fürchtest dich vor mir?» Sie zeigte auf seinen Schatten, der ihnen folgte.

Raghi starrte sie an. «Von allen Mördern bist du der gefährlichste. Sogar Emilio das Wunderkind hatte Angriffspunkte und ein Gewissen. Bei dir bin ich mir nicht so sicher.»

Sie seufzte vor Ärger. «Wir sind fast unter dem Magistratspalast. Dies sind die ältesten Katakomben und vom Rest abgeschottet, um Unterminierungen zu verhindern. In deiner Geistesabwesenheit hast du es nicht bemerkt, aber vor einiger Zeit sind wir durch eine Geheimtür getreten und eine Treppe hinuntergegangen. Frag dein Ding, wenn du mir nicht glaubst. Es hat aufgepasst.»

Unbehaglich schaute Raghi zu seinem Schatten. Dessen abgrundtiefe, brennende Augen fokussierten ihn.

«Ist das wahr?» Er hasste es, mit dem Ding zu sprechen, aber er musste es wissen.

Es blinzelte, was Ja bedeutete.

Raghi knurrte. «Dieser Ort ist ekelhaft», beschwerte er sich beim Universum.

Ansammlungen von Schmutz und Staub bedeckten jede Oberfläche dieser Höhlen und Tunnel, und verhedderte Vorhänge aus Spinnweben hingen von der unregelmäßigen steinernen Decke. Die Luft war muffig, bewegungslos und roch nach Moder. Und dann die Leichen! In der Antike wurden die Toten offenbar Seite an Seite an die Wände gehängt. In ihre Nacken getriebene Haken hielten sie aufrecht und ließen sie wie ausgetrocknete Stoffpuppen wirken. Die meisten ihrer Kiefer hingen offen.

«Warum fallen sie nicht runter?», fragte er und stupste gegen eine skelettierte Brust.

Die Mumie fiel auf den Steinboden und verwandelte sich in ein Bündel aus Knochen und ledriger Haut. «Äh …»

Faya rollte die Augen und eilte weiter.

Sie öffnete eine kleine Tür und ging hindurch. Raghi folgte ihr, ohne zu denken, und erstarrte.

«Ich wusste es. Du versuchst mich zu töten», schrie er, seine Augen weit aufgerissen vor Schreck. Er stand auf leerer Luft über einem bodenlosen schwarzen Abgrund. Hoch über seinem Kopf wirbelte grauer Nebel. Und in der Mitte des höhlenartigen Raumes, in dem sie sich befanden …

Faya packte seinen Arm und zog ihn mit sich. «Sei kein Baby! Komm schon. Du kannst so viel starren, wie du willst, sobald wir auf den Treppen stehen und die Zeit anhält.»

Verdammt, der kleine Teufel hatte Kraft! Raghi war von mittlerer Größe, groß genug, dass er zu wenigen Männern aufschauen musste. Sie sollte ihn nicht so mühelos mit sich ziehen können, wo er nicht hinwollte.

Die Treppen der Ewigkeit waren eine Wendeltreppe, die unbefestigt in der Leere rotierte. Sie wirkte, als wäre sie einst von einem unglaublich hohen Turm umhüllt gewesen und einfach stehen geblieben, während die schützende Gebäudehülle um sie herum verfiel.

Faya schubste ihn auf eine der geisterhaften, orange leuchtenden Stufen. Diese verwandelte sich unter seinen Füßen zu Stein. «Jetzt kannst du Fragen stellen. Wir haben den Fluss der Zeit verlassen.»

Raghi sah nach unten. Die Stufe unter ihren Füßen schien die gleiche zu bleiben, während sich die geisterhaft-transparenten Stufen von oben herabwanden und unter ihnen als Steinstufen in der Dunkelheit verschwanden. Auf einmal fand er seine Fragen irrelevant. «Sie sind wunderschön», sagte er voller Ehrfurcht.

«Ja, das sind sie. Legenden erzählen, dass ein magiebegabter König sie erbaute, damit er durch die Zeit wandern und sicherstellen konnte, dass sein Volk immer glücklich und gesund blieb. Nach seinem Tod erkannten seine Nachfolger, dass die Treppen zum Guten wie auch zum Bösen dienen konnten, und verbargen ihre Existenz, indem sie einen Palast darum herum erstellten. Da Städte auf Städten erbaut sind, versanken die Treppen über Äonen hinweg im Untergrund, vergessen von den Menschen von Eterna, während der Magistratspalast immer höher in den Himmel wuchs. Heute wissen nur noch die Wächter der Ewigkeit von ihrer Existenz. Alle anderen halten sie für einen Mythos.»

«Glaubst du, dass an dieser Geschichte etwas Wahres dran ist?»

Sie zuckte die Schultern. «Spielt das eine Rolle? Träume können wichtiger sein als die Wahrheit.»

Raghi nahm ihre Hand. Sie war kühl, die dunkle Haut auf ihrem Rücken weich und die Fläche rau von Schwielen. «Ich verspreche zu tun, was du sagst, Faya, aber jetzt ist es an der Zeit, mir die Wahrheit zu sagen. Ist meine Nana in Gefahr und hast du den Befehl des Meisters erhalten, mich zu töten?»

Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

Schockiert packte er ihre Hand härter. «Faya?»

«Deine Nana ist in Lebensgefahr und die Möglichkeit besteht, dass sie bereits an den erlittenen Misshandlungen gestorben ist. Was den Befehl dich zu töten betrifft, so wurde er gegeben, aber nicht mir. Der Meister beauftragte einen der Altvorderen.»

Raghis Herz stoppte schier. «Hoppla! Mir war nicht klar, dass ich es wieder einmal geschafft habe, ihm so auf die Nerven zu gehen!»

«Mach keine Witze darüber, Raghi.»

Wenn er keine Witze machte, drehte er durch. Die Geschichte der Mördergilde von Eterna war vage. Sie hatte schon immer in der einen oder anderen Form existiert. Dann, vor etwa drei Jahrzehnten, hatte Castelalto die Macht ergriffen und sich mit Hilfe einer Gruppe von Anhängern zum Zunftmeister gemacht. Diese Mörder, die man «die Altvorderen» nannte, waren jetzt zwischen fünfzig und sechzig Jahre alt.

Und im Gegensatz zu den jüngeren Generationen, die sich als Spezialisten oder Auftragnehmer betrachteten und keine Freude am Töten fanden, schienen die Altvorderen für das Blutvergießen und Morden zu leben.

Raghi war ihnen allen begegnet, und die Erinnerungen machten ihm das Atmen schwer. Ein wütendes Knurren seines Schattens beruhigte ihn.

«Wie dem auch sei. Wenn meine Nana tot ist, werde ich zurückkehren und mich an meinen Eltern rächen. Sie haben es schon lange verdient», fluchte er.

Faya hob die Hand, um ihm eine Träne von der Wange zu wischen. Ihre Berührung war sanft.

«Hör auf, sonst ertrinkst du in meinen Tränen», warnte er sie.

Sie lächelte. «Ich werde dich jetzt verlassen, mein Freund, denn du musst dein Schicksal ohne meine Hilfe schmieden. Geh die Treppen hinunter in die Vergangenheit. Jeder Ausgang führt in eine andere Zeit und Welt. Warte, bis du die Tür erreichst, die sich richtig anfühlt. Du wirst es wissen, wenn das passiert. Und bitte versprich mir, dass du gut auf dich aufpasst. Kein Aushungern mehr und keine Selbstmisshandlung.»

«Kein Tanz auf dem Vulkan mehr?», scherzte er. Seine Tränen begannen zu fließen.

«Darum kann ich dich nicht bitten. Du wirst immer der sein, der du bist, und jede mögliche Katastrophe heraufbeschwören. Erinnere dich einfach ab und zu daran, dass du es wert bist, geliebt zu werden. Und dass, selbst wenn du sonst niemanden finden kannst — was ich bezweifle —, ich dich immer lieben werde.»

«Oh, Faya, hör auf damit!» Er zog sie in seine Arme und schaute instinktiv über ihre Schulter, um Emilios Zustimmung zu prüfen. Aber Emilio war nicht mehr da. Raghi wurde etwas bewusst. «Wer wird dich jetzt beschützen? Mit Emilios Fortgang und meinem Verschwinden wirst du verletzlicher sein denn je. Warum kommst du nicht mit mir?»

Ihre Umarmung wurde fester. «Ich kann nicht, Raghi. Jeder von uns hat ein anderes Schicksal zu erfüllen. Geht jetzt!» Sie löste sich von ihm und wandte sich ab, um zu verbergen, dass sie weinte. «Kein Außenstehender kann nachvollziehen, wie es war, in der Gilde aufzuwachsen. Die Bande, die wir während unserer Ausbildung knüpften, sind stärker als die Bande einer liebenden Familie. Niemand von uns wird jemals wirklich allein sein.»

Sie trat von der Treppe auf die Leere über dem Abgrund.

«Wenn du das glaubst, bist du eine Närrin!», schrie er ihr nach. «In all dem sind wir ganz allein und waren es immer schon.»

Sie entfernte sich bereits. «Wie auch immer!», schrie sie zurück und winkte, ohne sich umzudrehen.

Als ihre Umrisse in den Schatten um die Treppen verschwanden, rief Raghi: «Ich liebe dich, Namenlos!»

Er hörte sie lachen. Dann war sie weg. «Ich weiß», driftete ihre schöne Stimme zu ihm.

Allein mit seinem Schatten versuchte Raghi, seine Umgebung zu analysieren, während er über seine nächsten Schritte nachdachte.

«Dieser Ort macht mir eine Scheißangst!», sagte er schaudernd. Als er erkannte, was er gerade getan hatte, spottete er. «Was ich gerade bewiesen habe, indem ich mit dir sprach!»

Das Ding knurrte ihn an.

«Oh, halt die Klappe!», schimpfte er. «Faya hat uns — mir! — gesagt, dass ich nach unten gehen soll. Also gehen wir nach oben.»

Er setzte den Fuß auf die erste transparente Stufe, die in die Zukunft hinaufführte. Auf einmal verschwand ihr sanftes orangefarbenes Leuchten. Grobe Mauern verfestigten sich um ihn herum, und die Sohle seines Stiefels traf auf eine gewöhnliche Steinstufe.

Raghi fuhr herum. Eine kleine, offen stehende Holztür markierte die Stelle, an der er die Treppen der Ewigkeit betreten hatte. Durch sie hindurch sah er den bodenlosen Abgrund, den er überquert hatte.

Er schauderte erneut. «Rauch und Schatten. Als ob wir davon in der Gilde nicht genug hätten! Und was ist real? Das?» Er hieb mit der Faust gegen die Wand — und zuckte, als die rauen Steine seine Haut zerkratzten. «Oder was wir vorher sahen? Und jetzt höre ich auf zu reden, bevor ich völlig verrückt werde!»

Ein seltsames Gefühl drückte ihm auf die Brust. Es nahm mit jeder weiteren Stufe zu, die er erklomm. So viel zu unheilvollen Vorahnungen! Was er tat fühlte sich falsch an. Seine Entschlossenheit nahm zu, und seine Neugier auf das, was ihn erwartete, wuchs.

Raghi erreichte die erste Tür und schaute hindurch. Sein Atem stockte, und ihm blieb fast das Herz stehen.

Er blickte auf Eterna hinab wie ein Wüstenfalke, der auf den Winden segelte. Der Magistratspalast und der weitläufige Platz davor waren unverwechselbar. Aber diese Vision der Stadt unterschied sich von allem, was er kannte. Die Flagge auf dem höchsten Turm des Palastes erklärte, warum. Sie trug das Wappen des Meisters.

Raghi starrte voller Entsetzen auf das Schreckensbild hinab. Das Eterna seiner Zeit war eine vergoldete Jauchegrube — ein gefährlicher, verdorbener Ort, der sein hässliches Gesicht hinter einer schönen Maske versteckte wie eine alte Hexe. Dennoch schafften es viele Menschen, innerhalb der Stadtmauern ihr Glück zu finden und ein gutes Leben zu führen. An der Universität florierten die Wissenschaften und führten jedes Jahr zu neuen Entdeckungen. Selbst diejenigen, die auf der Suche nach Musik und Heiterkeit waren, konnten die Nächte durchfeiern, ohne ausgeraubt zu werden, es sei denn, sie wurden unvorsichtig.

Aber dieses Eterna … Ein totes Schwarz überzog den einst goldenen Stein der Gebäude und Mauern. Ganze Viertel befanden sich in einem schrecklichen Zustand der Verwahrlosung, ihre Häuser einsturzgefährdet. Und auf den Wüstenebenen rund um die Stadt wuchs ein Wald aus Galgen und Kreuzen. Von jedem einzelnen hing etwas, das einst ein Mensch gewesen war.

«Ich glaube mich zu erinnern, dass deine Freundin dir befohlen hat, in die Vergangenheit zu gehen», bemerkte jemand milde an seiner Seite.

[…]

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«Raghi der Schatten»

von Isa Day

Band 2 der Serie «Die Treppen der Ewigkeit»

Erscheinungsdatum: 3. Juli 2019

336 Seiten

erhältlich bei Amazon als eBook (auch für Kindle Unlimited) sowie überall im Buchhandel als BoD-Taschenbuch

ISBN eBook: 978-3-906868-15-8
ISBN Taschenbuch (BoD): 978-3-743181489

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